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bahnhof provisionsfrei

bahnhof provisionsfrei

12 | 09 | 2011
Großauheim - ein Schnäppchen?
"Provisionsfrei zu vermieten" - so steht es in blutroten Lettern an der Fassade des Großauheimer Bahnhofsgebäudes. Auf meterlangem Banner gedruckt, verdeckt die Werbebotschaft den ehrwürdigen Schriftzug "Großauheim Krs.Hanau", der dort seit Generationen am Giebel prangt. Der denkmalgeschützte Bahnhof ist ein Auheimer Symbol. Er steht für den radikalen Umbruch Großauheims vor gut 150 Jahren, als die Schienentrassen das ehemalige Fischer-und Bauerndorf mit der großen Welt verbanden. Die Moderne hielt Einzug in den über tausendjährigen Ort und binnen weniger Jahre war Auheim nicht mehr wiederzuerkennen. In den heldenhaft-verklärten Zeiten Anno '73/74, nach der Inobhutnahme Wolfgangs und dessen Bahnstation, besaß die weiland blühende Stadt Großauheim folgerichtig nicht nur einen Nord- sondern auch einen Hauptbahnhof. Niemand konnte damals ahnen, was die Zukunft dem friedvollen Gebäude bringen würde. Der ehrwürdige Backsteinklotz - meistbietend und mit Nachlaß zu verkaufen? Unvorstellbar. Noch unglaublicher aber, daß scheinbar weder Hinz noch Kunz Interesse am Stationsgebäude zeigen, obwohl das Objekt schon seit vielen Monaten angeboten wird. Es ist eine Schande.
Dabei ist doch eines klar: Wer den Großauheimer Bahnhof besitzt, der hat den Schlüssel zum Rhein-Main-Gebiet. Man denke dabei nur an den integrierten Schrankenposten! Hier ist die Schaltstelle zur Macht, bzw. zur Bedienung der beliebtesten Bahnschranken zwischen Mainz und Würzburg. Nicht auszudenken, wenn die Immobilie in falsche Hände fallen würde und finstere Schrankenschufte voller übler Absichten die Kontrolle über den Bahnübergang an sich rissen! Sollten demnächst eigensinnige Hobbyschrankenwärter die pflichtbewußten und fahrplangebundenen Bahnbeamten aus dem Wärterhäuschen verdrängen, würden alle Schranken fallen. Den ganzen Tag lang ein willkürliches Auf- und Ab der rot-weißen Barrieren, dabei das ständige Gebimmel und Gebammel. Nein, der Besitz des Großauheimer Bahnhofsgebäudes ist von nationalem Interesse. Darum, ihr Großauheimer und Lokalpatrioten, kratzt die letzten Euros zusammen und greift euch das Schnäppchen, bevor es andere tun! Wo steckt sie eigentlich, die sagenumwobene Auheimer Untergrundbewegung, wenn sie gebraucht wird? Die Lage ist ernst; jetzt ist die Zeit, den starken Worten endlich Taten folgen zu lassen. Rettet den Großauheimer Bahnhof!

„...bei der Eisenbahnfahrt aber wird der Unterschied von Ankunft und Abfahrt geheimnisvoll schematisiert durch eine Operation, die sich in den Bahnhöfen, diesen ganz besonderen Stätten, vollzieht, die sozusagen kein Teil der Stadt sind und doch die Essenz ihrer Persönlichkeit so deutlich enthalten wie sie auf dem Signalschild ihren Namen tragen.“
(Marcel Proust: Im Schatten der jungen Mädchen)

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